23. März 2020

Wir leben im Krisenmodus. Angst und Sorge gehen um. Wir werden bedroht von einem unsichtbaren Feind. Es geht um Leben und Tot. Einerseits. Andererseits ist das Licht zurück, wandert der Frühling jeden Tag viele Kilometer gen Norden, steht das Osterfest vor der Tür. Zeit der Hoffnung, des Neubeginns und der Auferstehung.

Für mich als Imker ist es interessant zu beobachten, dass die gesamte Gesellschaft sich innerhalb weniger Wochen in einer Situation wieder findet, die wir mit unseren Völkern seit gut 20 Jahren in immer bedrohlicherer Weise erleben (siehe oben). Noch erstaunter bin ich darüber, dass die Politiker*innen rund um den Globus schnell und konzertiert handeln, und dass Geld in diesem speziellen Fall keine Rolle zu spielen scheint. Was macht Corona so besonders im Vergleich zur Flüchtlingskrise, zum Klimawandel, zum Artensterben? Ich kann mir keinen Reim darauf machen.

Mein Alltag wird bestimmt durch die zu Ende gehende Obstbaumschnittsaison, durch die beginnende Bienensaison und durch die aufmerksame Beobachtung der sich vorbereitenden Obstblüte. Das hat wenig mit home-office, Ausgangssperre, schnellem Internet usw. zu tun. Plötzlich bin ich als Erzeuger von Lebensmitteln systemrelevant – und irgendwie außen vor. Konkret ist für mich folgendes:

Die Bienenvölker haben das zunehmende Licht schon lange bemerkt, die Temperaturen steigen absehbar in Bereiche wo der tägliche Ausflug für die Bienen zur Routine und weniger gefährlich wird. Die elektronischen Stockwaagen, mit deren Hilfe ich das Verhalten (Brutintensität, Gewichtsabnahme und Wetter) einiger Völker beobachte kann, zeigen, dass die Bienen aktuell täglich rund 350g ihrer Vorräte verbrauchen und an warmen und sonnigen Tagen bereits das doppelte ihres Bedarfs finden und in den Stock bringen können. Die Völker brüten jetzt die ersten Sommerbienen aus. Eine Gemeinschaftstat der Winterbienen und der Königin. Die Winterbienen werden sich bei dieser letzten großen Anstrengung nach dem langen nasskalten Monaten in der Kiste so verausgaben, dass sie spätestens Ende April alle gestorben sein werden. Wenn die Königin bis dahin Eier legen kann, wenn genügend junge und gesunde Bienen schlüpfen, wenn das Futter bis dahin reicht, wenn der Frost die junge Brut nicht umbringt, wenn… dann geht das Leben weiter. Bei den Bienen ist so faszinierend  zu erleben, dass die Königin keine Krone aufhat. Sie bestimmt nicht. Sie ist ein Organ des Volkes, nimmt ihre Aufgaben wahr, kümmert sich um den Zusammenhalt und stiftet Zukunft. Alle Bienen setzen sich individuell an ihrer Stelle mit all ihren Möglichkeiten ein und tragen zum Wohl des Gesamtzusammenhanges bei. Keine Biene hamstert Vorräte, wenn Bienen verhungern, dann alle gemeinsam.

Das muss, soll, kann nicht beispielhaft für unser Sozialleben oder Gesellschaftssystem sein. Bienen sind Insekten und wir sind Menschen. Das kann man gar nicht vergleichen – oder? Sicher ist, dass dieses Verhalten der Bienen nicht aus Freiheit geschieht. Vielmehr handeln sie aus einem Instinkt heraus, der sich in Jahrmillionen der Evolution durchgesetzt hat. Diese Strategie zeigt, dass Bienen gemeinsam besser überleben als alleine. Wir merken in diesen Tagen deutlich, wie alles und alle miteinander verbunden sind. Ostern bietet eine gute Gelegenheit einmal in die Idee hinein zu fühlen, dass wir alle füreinander und für das was geschieht verantwortlich sind – und dass wir es gestalten.

Ich wünsche Ihnen ein lebendiges und impulsierendes Osterfest und grüße Sie herzlich, Mirko Lunau